Samstag, 2. Mai 2015

02.05.'15 - Beinahe eine Schlägerei an Bord, ein herrlicher Segeltag, eine tolle Brücke und Kalimera, Kalimera ...

Vathi - Trizonia; 73 sm
Diese Etappe hat uns bis Trizonia geführt. Die Betonung liegt auf dem 2. 'i'. Trizonia hat nichts mit dem Trizonesien zu tun, aus dem seinerzeit die BRD entstanden ist ;-)

Trizonia ist eine kleine Inselgruppe ganz im Westen des korinthischen Meerbusens. Auf der größten der Inseln haben wir eine 'Marina' der besonderen Art gefunden.


01.05.'15 

In der Nacht haben wir ein Erlebnis der besonderen Art. Wir schlafen schon, als ich gegen 2300 von Getrampel an Deck wach werde. Da läuft jemand auf dem Boot herum. Ich bin sofort wach und draußen, sehe einen jungen Mann am Bug mit der Halteleine unseres Dingis in der Hand und stürme los. 

Der Bursche zeigt auf eine große Segelyacht (56 Fuß) und stottert drauf los; die Yacht braucht Platz zum Anlegen, das Dingi ist im Weg, er wollte es nur zur Seite ziehen ... Ich fauche ihn an: Das ist sehr gefährlich, ohne Einladung mein Boot zu entern. Bei Nacht ist das lebensgefährlich. Der Kerl läßt die Halteleine fallen und springt über die Reling auf den Kai.

Er hätte ja nichts Böses im Sinn gehabt, erklärt er von dort. Weil das Boot ohne Licht war, hätte er angenommen, wir seien aus gegangen. Ich binde das Dingi backbords an die Seite der Seahorse und die Crew der Yacht müht sich ab, endlich ordentlich anzulegen. Es sind Ukrainer, die sich gleichzeitig um diese Yacht und um einen großen Katamaran mühen, der ebenfalls nur noch einen 'illegalen' Platz für die Nacht findet, gleich am Fähranleger. 

Der Katamaran läßt mich schmunzeln. Das Boot fährt unter griechischer Flagge und mit ukrainischer Gastlandflagge in Griechenland herum. Das muß er auch noch einüben ...

Ich verziehe mich wieder in meine Kabine und denke mir, daß der Bursche am Bug der Seahorse Glück hatte. Vor dreißig Jahren wäre das anders für ihn ausgegangen ...

Nach Mitternacht bekomme ich Bauchweh. Wir waren gestern zum Abendessen beim Griechen (Na, wer hätte DAS gedacht :-) Mein 'mixed grill' Teller war zu groß, zu hoch beladen und vor allem mit zu fettem Fleisch beladen. Ich habe vielleicht ein Drittel davon gegessen und dann aufgegeben; offenbar zu spät.

Zum Frühstück geht es mir wieder besser. Ich bin aber mit weiterer Nahrungsaufnahme einstweilen vorsichtig. Darum bestelle ich mir im Karamelcafe Brot und Honig zum Kaffee. Der 'Set' aus Brot, Marmeladen, Honig und Butter reicht dann wieder für ein ganzes Boot. 

Danach heißt es dann allmählich bye bye, Ithaka. Ich bin froh, Dich gesehen zu haben! Heute ist der Tag schon am Vormittag warm. Mir fällt Kaflafis' Gedicht wieder ein:

     Beeile nur nicht Deine Reise;
     der Sommer Morgen möchten viele sein.
     Besser ist's, sie dauere viele Jahre ...

Ich habe mein Ithaka hoffentlich noch lange nicht erreicht, fühle mich aber schon heute beschenkt, nicht betrogen. 

Zunächst gibt es vor dem Ablegen in Vathi allerdings noch etwas zu reparieren. Irgendetwas geht jeden Tag kaputt. Auf dem Boot muß man sich mit den meisten Dingen selbst behelfen, muß klempnern, schrauben, löten und oft genug auch besondere Lösungen finden, weil benötigte Ersatzteile ohnehin nicht aufzutreiben sind.
Badewasserpumpe
Die Abwasserpumpe der Dusche arbeitet nicht mehr. Nachdem sicher ist, daß die Pumpe elektrischen Strom bekommt, bleiben nur noch ein Schaden der Pumpe oder ein verstopftes Sieb als Ursache der Funktionsstörung übrig. Die Abgänge außenbords sind 'frisch gereinigt'. Zum Glück ist es das Sieb. Helmut reinigt alles; eine echte Drecksarbeit.

Ich beschäftige mich derweil mit dem Traveller (für Landratten: Eine Einrichtung zur Steuerung und Führung des Großsegels), der deutliche Verschleißerscheinungen zeigt. Gestern ist ein Bauteil aus Aluminiumguß an einer wichtigen Stelle ausgebrochen. Bei dem Versuch, den Traveller zu zerlegen, muß ich feststellen, daß auch die Montageschrauben schon die Köpfe verlieren, wenn ich nur den Imbusschlüssel da hineindrücke. Also ist eine Reparatur frühestens zuhause möglich. Darum fixiere ich die jetzt freie Flaschenzugrolle mit einem starken Tau. Das funktioniert gut; zunächst. Eine heftige Patenthalse später ist das Tau dann aber auch Geschichte.

Traveller 'workaround'
Ein gerade passender Schäkel ist an Bord verfügbar. Der wird nicht mehr reißen, aber womöglich den Rest des Haltebocks zerstören. Danach müssen wir dann mit mehr Muskelkraft an der Großschot arbeiten ...
2. Reparaturansatz
1020 - Motor an, Leinen los, raus aus der Bucht. Ab 1100 segeln wir mit Groß und Genua ohne Motor mit 6 kn SoG Richtung Korinth-Kanal, den wir am Sonntag passieren wollen.

Vor Ithaka sehen wir viele Inseln, einige nahe, andere weiter entfernt und im Süden den Horizont, der uns daran erinnert, daß wir nach wie vor im ionischen Meer herumsegeln. 

Ab 1200 müssen wir das Genua hereinholen und den Blister setzen. Der Wind ist auf 10 kn abgeflaut, fällt teilweise auf 8 kn ab. Ich mag den Blister nicht. Dieses Segel setzen ist mit viel Arbeit verbunden, weil es meist schnell und wenig achtsam geborgen wird. Immer dann wenn der Wind schnell zu stark wird für das leichte und schwache Tuch, muß es schnell herunter. Wenn das in der Nacht passiert und nicht jeder einzelne Beteiligte genau weiß, was er wann und wie zu tun hat, landet das Segel so in seinem Sack, daß man alles dreimal anpacken und jeden Handgriff dreimal machen muß. Das hasse ich.

Dafür leistet der Blister allerdings ordentlich was, auch bei schwächeren Winden aus achterlichen Richtungen.

Schmetterling mit dem Blister fahren ist auch etwas Besonderes ;-)
Um 1430 (MESZ + 1) messe ich mit dem Quecksilberthermometer: Luft 21°C, Wasser 18°C.

Wir fahren durch eine 'Landschaft', die mir völlig neu uns, mich manchmal an die Lofoten erinnert, manchmal an das Allgäu, manchmal an Bilder aus den Alpen.

'Landschafts'bilder




Dann taucht vor uns die Brücke von Rion auf. Das nachfolgende Bild haben wir etwa 15 Seemeilen vor  der Brücke so gesehen:

Rion Bridge
Zum frühen Abend (1700) frischt der Wind so auf, daß wir den Blister einpacken - dieses Mal genau so, daß er bei seinem nächsten Einsatz mit so wenig Handgriffen wie möglich aufgebaut werden kann.

Die Brücke von Rion ist noch etwa 3 Stunden von uns entfernt, aber schon sehr gut sichtbar. Mit den Gläsern können wir bereits Fahrzeuge darauf ausmachen.

Um 1845 ist dann auch mein letzter Köder futsch :-( Diesen haben wir uns selbst abgefahren, als wir vor dem Bergen des Großsegels die Seahorse in den Wind gedreht haben. Für mich ist die Angelei jetzt erledigt. Ich habe rund 100,- € in Leinen und Köder gesteckt. Dafür hätte ich ziemlich viel frischen Tonno in erstklassigen Restaurants essen können.

5 nm vor der Brücke nehmen wir mit Rion Traffic über Funk Kontakt auf und bitten um Freigabe für die Unterquerung. Nach Angabe von Länge und absoluter Masthöhe bekommen wir die Freigabe für 'just in the middle'. Klasse, das kann dann bei 45 m Durchfahrtshöhe angstfrei ablaufen ;-) Wir müssen auf dem Arbeitskanal 14 bleiben und eine Seemeile vor der Brücke noch einmal die endgültige Freigabe erfragen. Die bekommen wir dann auch.

Rion Bridge



Die Brücke von Rion überspringt den Sund zwischen ionischem Meer und korinthischem Meerbusen. Rund 1,5 nm ist das Bauwerk lang, das sich jetzt größer und größer vor uns auftürmt. Während der Wind, der uns mittlerweile mit 18 kn in den Rücken bläst, in der zunehmenden Enge kabbelige Wellen von 0,5 bis 0,75 m dicht an dicht um uns herum zusammendrängt, strömen uns aus Osten zunächst 2, direkt unter der Brücke 3 kn entgegen. Die Maschine der Seahorse muß kräftig gegen der Strom anarbeiten, um angemessen vom Fleck zu kommen.

paßt schon ...

Unmittelbar nach der Passage der Brücke melden wir Rion Traffic, daß wir 'durch' sind. Rion Traffic antwortet uns, wir sollen noch eine Weile auf dem Arbeitskanal bleiben und schließt mit einem lakonisch eingeworfenen Satz:" ... and beware of the local ferries."

Ja klar. Die örtlichen Fähren. Die haben wir vorher schon einige Male hin  und her fahren sehen, immer im Gegenbetrieb. Selbstverständlich kommen auch genau jetzt zwei dieser Fahrzeuge auf uns zu. Die Kapitäne kennen ihr Geschäft und ihr Gewässer aber genau, weichen uns aus, lassen uns im Kampf gegen die nur langsam schwächer werdende Strömung genügend Raum.

Fähre aus Nord
Fähre aus Süd
Mittlerweile würde es uns eher überraschen, wenn wir davon einmal keine am Hals hätten. Auch den dicken 'Dampfer', der bei Rion Traffic schon ungeduldig abfragt, wann er denn die Brücke passieren darf, nehmen wir gelassen.

Der Nächste, bitte
Dann sind wir durch. Der Sund öffnet sich. Die Strömung läßt nach. Wir holen das Genua wieder heraus, das wir vor der Brückenquerung eingerollt hatten, und segeln mit 6 bis 7 kn SoG bei zunehmendem wahren Wind von 18 bis 21 kn Richtung Korinth.

Rion Bridge - Ein Erlebnis auf dem Wasser
Wir segeln durch die Nacht bis Trizonia, wo wir in der unfertigen Marina unterzukommen hoffen. Das wird aber nichts. Die Marina ist kurz vor Mitternacht 'rappel voll'. Ich würde am liebsten gleich wieder raus fahren. Helmut bleibt cool und fährt enge und weitere Kreise in der Marina, bringt uns nahe an einen Arbeitskai, von dem die Seekarten sagen, daß wir dort nicht genug Tiefe zu erwarten haben. Das stimmt auch nicht mehr. 4,8 m sind mehr als wir brauchen. Helmut bringt die Seahorse gegen den Wind sanft wie eine Feder an den Kai, an dem wir für einen Tag festmachen.


02.05.'15 - Kalimera, Kalimera

Es ist sehr schön hier (überwiegend). Wir begegnen freundlichen Menschen und hören auf dem ersten Spaziergang bei jeder Begegnung ein nettes Kalimera. Kalimera alle paar Meter; ein freundlicher Ort.

Die 'Marina' in Trizonia ist schon etwas Besonderes. Eigentlich ist alles Wesentliche vorhanden oder bereits angelegt. Schwere Schwimmstege aus Beton geben sicheren Halt. Der Einbau von Wasser- und Stromanschlüssen ist erkennbar geplant, aber nicht umgesetzt. Etwa 100 Boote könnten in der Marina Platz finden, fast alle mit Wassertiefen, die auch für größere Yachten mehr als ausreichend sind. Was noch fehlt sind eben die Anschlüsse, sanitäre Einrichtungen und ein Hafenbüro oder zumindest Eigner, der Liegegebühren kassiert.

'Stangen' ragen schräg aus dem Wasser
Ein Wrack in der Marina
An einem Steg sind sechs Liegeplätze blockiert, weil davor ein gesunkener Zweimaster (Yacht mit Besan) liegt. Auch unter der kabbeligen Oberfläche sind die Umrisse des Schiffes noch gut zu erkennen. Welche kastastrophale Fehlentscheidung zu diesem Umstand geführt hat, wissen wir nicht. Warum sich niemand gedrängt sieht, die gesunke Yacht zu bergen und aus der Marina zu entfernen, ist uns auch nicht klar.

Der etwas 'gespenstische' Anblick wird teilweise durch eine Reihe von Booten ergänzt, die wir bei unserem Rundgang sehen. Das sind Yachten, auch größere mit 2 Masten, die von ihren Besitzern offenbar hier festgemacht und dann aufgegeben wurden. Erkennbar sind einige dieser Fahrzeuge seit vielen Jahren nicht mehr bewegt worden. Andere werden nicht mehr als Schiff genutzt, sondern 'nur noch' als Wohnstätte. Die kostenlose Marina scheint in Teilen allmählich zu einem Schiffsfriedhof zu verkommen.

'Um die Ecke', auf der anderen, windgeschützten Seite einer kleinen Landzunge, liegt der 'richtige' Hafen der Insel, Porto Trizonia. Hier können nur Boote mit wenig Tiefgang festmachen.

Port Trizonia



Wenn ich mal Zeit habe, mache ich hier Urlaub ;-)




Wir erleben eine beschauliche Atmosphäre, genießen einen ganz ausgezeichneten Milchkaffee in der 'Fisch Taverne' und versorgen uns dort gleich noch mit ein paar Lebensmitteln. Wir machen uns noch einen schönen Tag auf Trizonia. Gegen 2200 wollen wir zum Korinth-Kanal fahren, der etwa 9 Stunden von hier am Ende des Meerbusens liegt. Dann werden wir in der Ägäis sein.

Im Augenblick (1500) erleben die Diskrepanz zwischen Prognose und Status maximal ;-) 'Mein' YachtingWeather meldet uns für diesen Standort 2 kn Wind bei hellem Sonnenschein. Sonnenschein aber kräftigen Wind hatten wir am Vormittag. Jetzt ist es bedeckt und uns rauscht von West ein Wind in Böen mit 25 kn an ;-).

Erwähenswert, weil praktisch (wenn auch nicht grünpolitisch korrekt), ist die Müllverbrennungsanlage der Insel. Am Ende der Marina, deutlich abseits von allem was nach Freizeitaktivitäten aussieht, wird der anfallende Restmüll auf einem großen Haufen verbrannt. Das mag 'sauberer' gehen. Wo Ratten aber stets eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit sind, ist diese Art der Müllverbrennung allemal besser als das Abwarten auf die Finanzierung eines umwelttechnischen Optimums.
Seahorse im Arbeiterviertel
Abseit allen Gedränges

Keine Kommentare: