Sonntag, 3. Mai 2015

03.05.'15 - Eine heißkalte Nacht, ein genialer Morgen und ein Geheimtip

Korfos; Peloponnes - 73 Seemeilen von Trizonia
02.05.'15 - 2000

Den ganzen Tag hat der Wind aus West stetig zugenommen. Um 1700 hatten wir 18 - 25 kn auf der Anzeige. Die Fender hatten einiges auszuhalten, weil der scharfe Wind die Seahorse gnadenlos auf den rauen Betonkai drücken wollte. 

Jetzt fällt der Wind langsam in sich zusammen. Bis zum Morgen soll er dann bei NULL angekommen sein. Dafür steigen hier die Temperaturen bis Wochenmitte auf 36°C. Wir werden wohl zum Glück bereits weiter nördlich in der Ägäis sein, hoffentlich bei gutem Wind, Sonne und angenehmeren Temperaturen. 

2215 

Der heftige Wind hat deutlich nachgelassen. Wir legen ab und drehen die Seahorse Richtung Korinth Kanal. Raus aus der Bucht, an einer Insel vorbei und dann das Genua raus. Wir haben jetzt Blisterwind, so zwischen 10 - 12 kn fast exakt achtern. Damit wollen wir aber jetzt in der Dunkelheit nicht herumfummeln. Bald darauf frischt der Wind ohnehin auf. 16 kn reichen, um mit Genua und Groß, ohne Motor (!), 6 kn SoG zu laufen.

Der Wind frischt weiter auf, erst  20 kn, dann 25; Tendenz steigend. Das Groß holen wir herunter und das Genua arbeitet im dritten Reff. Trotzdem läuft die Seahorse mit 7 kn SoG. Der Wind wird ruppiger, böiger, frischt kurzzeitig bis 39 kn auf. Das ist heftig. Die Seahorse schießt jetzt durch die Wellen. In den ersten drei Stunden, einschließlich Ablegemanöver und anfänglich ruhigerer 'Gangart' legen wir 20 Seemeilen zurück. Die Seahorse läuft jetzt mit 7 - 8 kn SoG auf Korinth zu. In der Windspitze lesen wir 9,6 kn SoG ab!

Die ruhige und gemütliche Nachtfahrt, die wir geplant hatten, ist längst zu einer heißen Fahrt geworden. Wir kommen mit dem kaltem Wind 'recht flott' voran und wundern uns einmal mehr über diverse Prognosen. Es wird Zeit, daß wir 'den Krauß-Meldau' verinnerlichen (Standardwerk nautischer Meteorologie) und unsere eigenen Prognosen machen.


03.05.'15

Ab 0300 läßt der Wind dann endlich etwas nach, bis hinunter auf die prognostizierten 2 kn. Wir müssen wieder motoren.

5 nm vor dem Kanal nehmen wir mit Korinth Traffic über Funk Kontakt auf und äußern den Wunsch, den Kanal von West nach Ost durchfahren zu dürfen. "Alles klar", heißt die Antwort, "fahren sie erstmal bis auf eine Meile an den westlichen Eingang und melden Sie sich dann wieder." Das machen wir dann auch und bekommen eine Meile vor dem Westgate die Aufforderung, auf dem Kanal 11 verfügbar zu bleiben, und bei einer halben Meile vor dem Gate bis auf weiteres zu warten. Mittlerweile ist es hell geworden. Der kalte Wind hat wieder kräftig aufgefrischt und schmeißt uns bei der Langsamfahrt auf der Position 0,5 nm vor dem Westgate heftig hin und her. Immerhin können wir jetzt etwas erkennen und sehen das Gate sogar vor uns. Eine Stunde früher sah das bei der Anfahrt ganz anders aus.

Helmut hat zu tun
Bilderrätsel: Wo ist die verdammte Einfahrt?
Ein Frachter, der kurz nach uns eingetroffen ist und auf der Position 1 Meile vor dem Gate warten muß, bekommt die Freigabe für die Einfahrt in den Kanal vor uns. Wir müssen diesem 'Vessel' folgen. Der Frachter durchfährt den Kanal einfach schneller als wir das können und wollen. Zuvor muß der Frachter noch einen Lotsen an Bord nehmen, der ihn auf der nur etwa 25 m breiten Wasserstraße führen wird.

Der Lotse geht an Bord
Zum Glück ist gerade vorher die Sonne endgültig hinter den nahen Bergen hervor gekommen. Es wird wärmer und heller und die Umgebung wird eindrucksvoller.

Blick auf das Tor zum Peloponnes
Helmut muß sich auf die Fahrt konzentrieren. 25 m sind auch für die Seahorse nicht wirklich breit. So gerne ich die Seahorse selbst steuere, so wenig möchte ich gerade jetzt mit ihm tauschen. Die Landbrücke zwischen dem attischen Festland und dem Peloponnes ist geologisch DIE tektonische Bruchzone, der Griechenland die meisten seiner vielen Erdbeben und vor allem die schlimmsten 'verdankt'.  Hier, wo die Erdkruste bis zu 90 m tief dem Tageslicht zugänglich ist, lassen sich viele der Bruchflächen dieser Bruchzone erkennen. Ich bin ganz 'aus dem Häuschen'. Helmut ist amüsiert.

Unser 'Vorläufer'
Eine Brücke ist für die Durchfahrt 12 m tief unter Wasser gelegt
Die Brücke ist wieder angehoben
Konzentration auf eine nicht triviale Aufgabe
Plattenverschiebung mit einer 'alten' Abschiebung von etwa 25 m
Der Korinthkanal ist ein geologischers Lehrbuch. Die Fahrt ist aus meiner Sicht viel zu schnell zu ende. Um 0745 machen wir auf der Ostseite am Anleger der Verwaltung fest, wo Helmut die Gebühr für diese Durchfahrt zahlen muß; 182,70 €!  Das ist ein teuerer Spaß für etwas mehr als 6 km Kanal. Die Alternative ist ein Umweg von mehreren hundert Seemeilen um den Peloponnes herum. Diese Zeit haben wir beim Abwettern in Crotone 'liegen lassen'.

Kanalbilder

Ständiger Sanierungsbedarf
Brücken über den Kanal
Seahorse auf enger Fahrt
hohe, steile Wände
Kaum haben wir unser Boot festgemacht, kommen einige herrenlose Hunde zu uns herüber 'geschlendert'. Sie bekommen wohl häufiger Leckereien von den Durchreisenden, die hier festmachen müssen, aber ebenso häufig auch nichts. Einer dieser Hunde hat es mir wegen seiner betont lässigen Ausstrahlung besonders angetan:

Mal sehen, was es gibt ...
Von mir gibt es nichts zum Fressen, aber einige Streicheleinheiten, die der Bursche sichtlich genießt. Dann kommt Helmut aus der Verwaltung der Kanalgesellschaft zurück. Wir machen jetzt Frühstückspause, kochen uns Kaffee, essen Croissants und Zwieback mit Butter und freuen uns, weil wir ab jetzt in der Ägäis herumsegeln.

Alle Formalitäten erledigt - an einem Sonntag!
Wir beobachten noch das Geschehen um uns herum, auch den Gegenverkehr, der teilweise durch den Kanal geschleppt wird.

Der kleine Schlepper zieht den Tankriesen durch den Korinthkanal
Ägäis, Meer voll tausenden Inseln. Gleich die ersten Meilen geben uns einen Einblick davon, was das bedeuten kann. Eigentlich sieht man oft gar nicht, wo die eine Insel aufhört und die nächste beginnt, wo Festland eine Insel abdeckt oder eine Insel den Zugang zu einer Bucht des Festlandes verdeckt.

Anfangs motoren wir wegen des schwachen Windes von 10 kn achtern. Später frischt der Wind auf 16 kn auf und ermöglicht ein Stunde Segelfahrt. Dann muß der Motor wieder ran.

Je nach Licht und Hintergrund erst aus der Nähe als Insel erkennbar
Delphine sehen wir, die uns verwundern. Die ersten dieser Art entdecken wir unmittelbar vor der Einfahrt in den Kanal, dann in der Bucht vor Korfos in größerer Stückzahl. Diese Tiere sind mit 2,5 bis 2,8 m rund doppelt so groß wie ihre 'Brüder', die wir bisher im Mittelmeer angetroffen haben.

Um 1200 liegen wir in Korfos. Der kleine Ort verfügt mit seiner Bucht über einen herrlichen und großen Naturhafen, der vor Wellen aus jeder Himmelsrichtung schützt. Die Kommerzialisierung dieses Naturdenkmals hält sich in sehr engen und angenehmen Grnezn. Korfos liegt auf dem Pelopennes, etwa 20 nm vom Kanal entfernt.

Werbung für einen Geheimtip
Papa George hatte vor seinem Restaurant noch vor wenigen Jahren einen gut dokumentierten Anlegesteg, den seine Gäste kostenlos nutzen konnten. Diesen Steg gibt es heute nicht mehr. Dafür winken er selbst und seine Söhne schon von weitem jeder sich nähernden Yacht zu, an dem kleinen Kai vor dem Restaurant anzulegen (etwa 7 bis 8 Plätze). Angelegt wird mit dem Heck nahe dem Kai und mit dem Bug vor Anker. Dieses Manöver haben wir heute zum ersten Male erprobt. Wir freuen uns über das erfolgreiche Ergebnis!

Gleich nach dem Festmachen wird uns angeboten, uns Kaffee oder Bier oder Wasser zu bringen. Könnt ihr haben, heißt es, müßt ihr aber nicht. Sehr symphatisch...! Papa George wirbt mit gutem Essen, eiskaltem Bier und freiem WLAN, freien Duschen, freiem elektrischen Strom und gebührenfreien Liegeplätzen für seine Gäste. Darf man da überhaupt abehnen?

Korfos



Absoluter Luxus
Die Seahorse liegt so am Kai, daß wir beim Verlassen des Bootes direkt in der überdachten Terasse des Restaurants stehen. Praktischer kann man nicht 'liegen' ;-)

Korfos ist ein kleines, verschlafenes Nest, das trotz des rührigen Papa George vermutlich auch in den nächsten hundert Jahren nicht auf die Idee kommen wird, seine gesegnetes Bucht kommerziell massiver auszuschlachten.

Ein echter Geheimtip scheint Korfos, von dem wir aus einem Buch über griechische Häfen und Liegemöglichkeiten Kenntnis haben, heute schon nicht mehr zu sein. Engländer liegen hier vor Anker, ein schwedisches Ehepaar, jetzt auch wir. Am Abend fallen gleich fünf Charteryachen voll mit unseren niederländischen Nachbarn ein. Jede Yacht wird von einem bezahlten Skipper geführt, der 'seine' Crew immer und sicher Papa George zuführt. Papa George berichtet uns, daß diese Skipper von April bis Oktober jede Woche für drei bis vier Tage hier her kommen, um ihren Chartergästen bei Gesang, gutem Essen und fröhlich machenden Getränken gute Erinnerungen einzupflanzen. Warum auch nicht. Warum fahren eigentlich nicht mehr deutsche Yachties nach Korfos? Es lohnt sich!

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