Freitag, 15. Mai 2015

14.05.'15 - Gülzece; wir haben unsere Zielmarina erreicht!

Marmara - Gülzece; 59 nm
Wir liegen in 'Gülsetsche', etwa 35 km südlich von Istanbul, am Westufer des Marmarameeres in einer Marina, die uns vor Reiseantritt ein Angebot über Liegegebühren gamacht hat, mit dem Helmut einverstanden sein konnte. DIES war unser Ziel! Immerhin bleibt die Seahorse nach unserer Abreise fünf Wochen hier liegen, bis Helmut, Edith, Anna & Sven von hier aus nach Süden fahren werden.

1.736 Seemeilen in weniger als 5 Wochen auf UNSERER Route
Wir haben insgesamt rund 1.736 Seemeilen zurück gelegt. Ich freue mich auf Istanbul und dann auf den Heimflug, auf das Zuhause mit Birgit. Helmut trägt eine leichte Melancholie mit sich herum. Die Reise war schön. Eigentlich könnte das noch eine Weile so weitergehen.


Eine geruhsame Fahrt

Wir haben uns am Mittwoch früh schlafen gelegt, weil wir unsere letzte Nachtfahrt gegen Mitternacht beginnen wollen. Wir rechnen mit etwa 12 Stunden bis Gülzece und wollen gegen Mittag dort sein. Dann lassen sich alle Formalitäten in Ruhe erledigen.

Mit dem Schlaf ist es nicht weit her. Zunächst kommt noch ein bärtiger Troll zur Seahorse, zückt umständlich einen Kugelschreiber und einen Quittungsblock und kassiert 50 TL Liegegebühr für unseren Platz in der Hafeneinfahrt. Kein Strom, kein Wasser, keine sanitären Anlagen und vor allem keine Legitimation durch den Troll. Vermutlich haben wir einen Fehler gemacht, weil wir uns vom Taxi über die Insel kutschieen ließen. Jetzt scheint die Idee aufzuleben, daß man von uns mehr abgreifen könnte. Es wird Zeit, zu verschwinden. 

Die nächste Störung ist ein lautes Poltern an Deck. Ich bin sofort raus aus der Koje und sehe im Salon einer Katze in das neugierige Gesicht. Das Tier schaut durch eines der offenen Salonfenster neugierig zu uns herein. Blödes Vieh ...

Die dritte Störung ist ein Bursche der mehrfach neben der Seahorse auf und ab geht. Vermutlich ist das nur ein Angler. Aber ich bin jetzt mißtrauisch und brauche lange, um einzuschlafen.

Um Mitternacht klingeln unsere Wecker. Ein Kaffee auf die Schnelle, die notwendigen Vorbereitungen zum Start, dann ist der Motor an, die Leinen los und wir verlassen Marmara. Die See ist glatt. Ein Hauch von 1 bis 2 kn kann sich nicht entscheiden, aus welcher Richtung er wehen will. Nach der südlichen Umrundung Marmaras nähern wir uns im spitzen Winkel ganz allmählich dem VTG zwischen den Dardanellen und Istanbul. Wir sehen wenige Schiffe aus- oder einfahren, aber viele große Pötte auf dem VTG. Diese 'Rennstrecke' wird eben intensiv genutzt. 

Diese Nacht ist noch einmal ein Wunder an Lichtern! Über uns strahlen das Meer der Sterne und die Milchstraße und unter uns glüht das Meeresleuchten wieder in einer ganz neuen Weise. 

Die Seahorse zieht, beginnend beim leicht leuchtenden Schraubenwasser, eine breite, lange nachleuchtende Spur über das Meer. Selbst das Dingi glüht von seiner Unterseite her. Die Bugwellen der Seahorse sind an ihren Außengrenzen von einem etwa fingerbreiten ganz scharf umrissenen, hell strahlenden Rand beleuchtet. Die Fläche zwischen diesem Rand und dem Rumpf des Bootes leuchtet diffus,

Der Lichteffekt ist so intensiv, daß der Mast und beide Salinge angestrahlt werden, die uns dieses Licht ins Cockpit zurück spiegeln. 

Mit dem Aufsteigen der schon wieder sehr schmalen Mondsichel und endgültig mit der eine Stunde später einsetzenden Dämmerung verschwindet der schöne Schein.

Auch der Schein Istanbuls verschwindet, den wir ab Marmara aus 60 Seemeilen Entfernung wahrnehmen konnten. Diese von bis zu 18 Millionen Menschen bevölkerte Stadt leuchtet den selbst geschaffenen Dunst in der Nacht so hoch und so massiv aus, daß eine leuchtende Glocke über der Stadt zu liegen scheint, die sich auf diese Entfernung noch erkennen läßt. 

Gülzece erreichen wir um 1130. Ein Marinero (? wirklich ?) kommt uns in einem Schlauchboot entgegen und führt uns zu unserem Liegeplatz. Ich führe das Boot in dieser Nacht. Aber das Anlegemanöver zwischen einer großen, teuren Motoryacht und einem kleineren Boot mit hervorkragendem Anker möchte ich auf dem engen, verfügbaren Raum nicht selbst durchführen. Das überlasse ich sehr gerne Helmuts Erfahrung mit seinem Boot. 

Was dann folgt, ist ein Bild des Jammers.

Zwei junge Männer, vermutlich von dem 'Marinero' herbeigerufen, bemühen sich vergeblich, Brauchbares zum Anlegemanöver beizutragen. Beide fangen die Anlegeleinen, verknoten sie in Ringe auf dem Kai, springen ins Boot und versuchen nun, mit den freien Ende die Seahorse näher an den Kai zu ziehen. Zwischenzeitlich ruft der Marinero ununterbrochen Käpt'n, Käpt'n und winkt nach vorne. Er will, daß die Seahorse weiteren Abstand vom Kai nimmt. Das Gewirr aus Leinen um ihn herum läßt mich denken, daß der Knaller sich in seine Mooringleine verwickelt hat. Später stellt sich heraus, daß er während des Anlegemanövers panisch bemüht war, die zu kurze Mooring passend für die Seahorse zu verlängern. Ein Zuschauer (Nachbarboot), der englischen Sprache mächtig, fragt uns, wie weit wir die Seahorse jetzt zurück zum Kai haben wollen. Wir geben 1 m an, minimum. Das gibt er an den Marinero weiter, der diesen Meter auch frei gibt. Die beiden jungen Männer springen derweil zwischen Kai und Boot hin und her, zeigen einander die freien Enden der Anlegeleinen und fragen sich offensichtlich, warum diese jetzt nicht dazu taugen, das Boot nach hinten zu ziehen. Ich jage beide vom Boot. Auf dem Kai muß ich einem der Lachnummern die Leine regelrecht aus der Hand reißen. Er WILL helfen, versteht nicht, warum das nicht klappt. Ich löse die Knoten, die von den Burschen in die Leinen geschlagen wurden, ziehe die Leinen auf dem Boot fest. Die Seahorse liegt jetzt so, wie sie soll.

Eine so dämliche 'Assistance' habe ich bisher noch nirgends sonst erlebt!

Jetzt kann Helmut in Ruhe die Verwaltungsangelegenheiten mit der Marina erledigen.


In der Marina ist Vieles unfertig, manches in der Reparatur begriffen, halbherzig. Ein sehr schwerer Sturm hat hier vor noch nicht allzu langer Zeit große Schäden angerichtet. Die Duschen sind auf normalem Campingniveau. Die Reinigungsarbeiten der Toiletten bedürfen erheblicher Nachbesserung durch die Geschäftsführung.

doppelt mannshohe Mole
Mit Blick auf das Meer
Die Ein/Ausfahrt
Na ? Wo steckt die Seahorse?
Nach Erledigung der Formalitäten machen wir uns auf den Weg in den Ort. Wir suchen vor allem nach einem Geldautomaten und finden keinen. Ein Wahlkampfbus, der mit immensem Getöse durch den Ort kurvt, steht jetzt am Straßenrand. Eine der Insassinen läuft auf der Straße herum. Die fange ich ab und frage nach einem 'Banki Automasi'. Die Frau spricht ein wenig englisch, bemüht sich uns zu erklären, wo der nächste Automat ist, weiter weg, will irgendeine Aktion starten und winkt uns mitzukommen, wird dann zurück zum Bus gerufen.

Die Frau bleibt stehen, spricht einen älteren Mann auf der Straße an, offenbar ein Bekannter, drückt ihm ihre privaten Autoschlüssel in die Hand, und bittet ihn, uns zum Automaten und zurück zu fahren. Der Mann tut das auch. 10 Minuten später haben wir unsere Lira und stehen dort, wo wir der Frau begegnet sind, die jetzt wieder mit dem Bus unterwegs ist. Richtig bedanken können wir uns gar nicht mehr.

So viel aktive Hilfsbereitschaft bin ich nicht gewohnt. Das ist nur schwer zu überbieten!

Güzelce ist ein merkwürdiger Ort. Viele neue Häuser sehen wir ringsum und noch immer wird gebaut, wird altes abgerissen. Der Ort ist lebendig. Viele Kinder sehen wir in der nahen Schule. Wir werden Güzelce aber nicht wirklich näher kennen lernen. Unsere weitere 'Freizeit' gilt jetzt Istanbul.

Güzelce: Den ersten Döner in der Türkei finden wir hier!
 Umgebung



 Die Seahorse ist gut vertäut und liegt in einer Reihe mit großen Motoryachten und Megayachten.




Wir lernen jemanden kennen, der mehrere Schiffe hier liegen hat. Das kleine mit dem schwarzem Rumpf an Steuerbord gehört dazu. Er verchartert diese Schiffe, unter anderem einen wunderschönen Zweimaster (Besan) mit etwa 25 m Länge aus türkischer Produktion. Von ihm erfahren wir, daß 90% der hier in Güzelce liegenden Schiffe den Hafen nie verlassen. Die Marina ist 'nur ein großer Parkplatz', sagt er uns.

Ich laboriere schon seit ein paar Tagen mit einem leichten Schnupfen, dachte ich. Jetzt bricht er richtig aus. Das ist Grund genug, sich über Nachtfahrten Gedanken zu machen.

Ich liebe Nachtfahrten. Man sieht über dem Wasser meist mehr als am Tage. Andere Fahrzeuge verschwinden nicht im Dunst sondern sind über sehr weite Entfernungen beobachtbar. Das vereinfacht die eigene Navigation erheblich. Anleger in fremden Marinas bei Nacht sind nicht ganz so prickelnd, aber mittlerweile Bestandteil des erarbeiteten Repertoires.
Nachtfahrt sind schön, kalt und feucht bis naß. Irgendwann kühlt die Lufttemperatur bis auf den Taupunkt herunter. Dann legt sich der Tau wie ein Film auf das ganze Boot. Auch im Cockpit bleibt kein Sitz, kein Kissen trocken. Wasserdichte Segeljacken tragen wir ja ganz gerne. Wasserdichte Hosen sind eher unangenehm. Man schwitzt darin sehr. Eine ganze Nacht stehend im Cockpit verbringen, mag aber auch niemand. Und schon der erste Versuch sich hinzusetzen, endet mit einem nassen Hosenboden.

Ich bin einige Nächte mit feuchter Kleidung durchgefahren und hatte Glück. Eine der letzten Nachtfahrten, vermutlich die Sturmfahrt vor Marmara, hat mir dann den Schnupfen eingebracht. Mit Birgits Fernhilfe, die meine Reiseaphotheke auswendig kennt, kann ich die schlimmsten Symptome mildern und verliere im Prinzip nur einen Tag. Das kann auch schlimmer ausgehen.


Demnächst, vielleicht noch vor dem Heimflug, werden wir noch ein paar Bilder aus Istanbul veröffentlichen und vielleicht noch weitere Statistik der Reise. Wenn es etwas dauert, habt bitte Geduld.

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