Montag, 27. April 2015

26.04.'15 - Crotone (noch immer Italien)

Wir haben während des laufenden Törns 'umdisponiert' und einen weiten Schlag nach Norden unternommen.

Von Riposto nach Crotone, 157 nm in 30 Std.

25.04.'15 - Ein Tag voller Überraschungen

Noch vor dem Frühstück trifft uns die erste Überraschung des Tages auf angenehme Weise bis ins Herz.

Riposto - zu Füßen des Ätna
Was gestern in der Gewitterstimmung und unter der dichten Wolkendecke nicht zu ahnen war, offenbart sich uns heute strahlend und gewaltig. Riposto, und damit heute auch unser Boot, liegt dem beeindruckenden Ätna zu Füßen! Wir stehen in der kühlen Morgenluft und staunen, freuen uns, daß uns dieser Anblick zumindest jetzt geschenkt wird. DAS hätten wir ganz sicher nicht vermissen wollen.

Nach dem Frühstück beginnen die letzten Vorbereitungen für den großen Törn nach Griechenland. Vor allem Überlegungen zu den unterschiedlichen Wetterprognosen von DWD und YachtingWeather machen uns ein wenig zu schaffen. YachtingWeather gibt uns relativ gute Prognosen, die in engen Räumen ortsbezogen sind. Die Vorhersagen des DWD sind sehr pauschal für z.Bsp. das Ionische Meer. 

Wir zeichnen uns auf einer Seekarte die Standlinie für die direkte Verbindung zwischen Riposto und Zakynthos(Süd). 

Standlinie mit Orten und Zeitbezug
YachtingWeather teilt den Tag in Quarte und gibt Prognosen für 0200, 0800, 1400 und 2000. Wir legen als Startzeit 1000 MESZ fest und planen dann den Start für heute und morgen, jeweils mit 30 Seemeilen pro Quart.

Zu den jeweiligen 'progonostizierten Koppelorten', bezogen auf die jeweilige Prognosezeit, suchen wir die Angaben für Windrichtung und -stärke, sowie die Wellenhöhe heraus.
Diese Arbeit muß jetzt einfach sein.
Dabei stellen wir fest, daß wir, wenn wir noch einen Tag mit einem Besuch des Ätna verbringen wollen (verlockende Aussicht) etwa 30 bis 50 nm vor Zakynthos auf Starkwind mit 45 kn und Böen mit 61 kn treffen können. Böen in voller Orkanstärke wollen wir gewiß nicht. Auch 45 kn mit der Sturmfock segeln möchten wir eigentlich nicht. 

Wenn wir stattdessen bereits heute starten, werden wir etwa 12 Stunden vor dem Einsetzen des Starkwindes Zakynthos erreichen. Für einen Start Übermorgen können wir keine Prognosen für den letzten Reisetag bekommen. Also steht fest: Wir starten heute nach Griechenland.

Alles klar - die Hausaufgaben sind gemacht
Um 1000 heißt es darum wieder: Motor an, Leinen los. Ich fahre die Seahorse aus dem engen Hafen, was dank der Bugstrahlruder kein großes Problem ist. Dann Kurs 91°. Wind auf der Nase (was denn sonst) 3 kn. FdW (Fahrt durchs Wasser) machen wir 6,4 kn. Wir laufen gegen eine lange Welle von 2,5 Fuß Höhe.

Ciao Sicilia
Das Wetter ist herrlich, anfangs frisch, später immer wärmer, durchgehend sonnig. Ich habe Muße, den Müll zu beobachten, dem wir auf unserer Route begegnen. Gewohnt sind wir dabei an Äste aller Größen, ganze Bäumchen 'mit dem Grünen nach unten', Kannister und Flaschen aller Art, Holzreste, Plastikmüll ...

2 Plastikfußälle in einem Netz sind uns schon begegnet, auch ein Lederfußball. Heute treibt ein weißer Luftballon in Herzform mit einem bunten Band und einem Zettelchen an uns vorbei. Das Meer birgt viele Überraschungen ...

Schon am Vormittag können wir bei langsam stärker werdendem Wind mit einer leichten Kursänderung das Genuasegel wieder zur Hilfe nehmen. Ab etwa 1330 segeln wir mit Groß und Genua, ohne Motor. Endlich wieder segeln!

Endlich wieder segeln
Kurs 68° bringt uns am Wind leicht von der direkten Route ab. Für ein paar Stunden hat das keine gravierenden Auswirkungen. Dann kreuzen wir Kurs 168°. 

Kurz nach 1600 holen wir die Segel runter und motoren mit Kurs 90° auf unser Ziel zu. Wir hatten ein paar Stunden Spaß, hoch am Wind zu segeln. Aber wir haben keinen nennenswerten Streckengewinn auf unser Ziel damit erreichen können. Im Prinzip haben wir rund 4 Stunden verschenkt. Jetzt fahren wir mit 16 kn Wind auf der Nase und einer Welle von einem Meter direkt auf dem Bug nach Osten, mit 5,5 kn FdW. SoG (Speed over Ground) schaffen wir knapp über 4 kn. 

Um 1945 müssen wir uns entscheiden, ob wir darauf vertrauen wollen, daß wir 'so gerade' vor dem Sturm Zakynthos erreichen werden, oder ob wir einen Ersatzhafen anlaufen wollen, um dort abzuwettern oder neu zu überlegen. Wir haben 4 Stunden aus einem sicheren Zeitfenster von 12 Stunden beim Segeln 'verpraßt'. Jetzt müssen wir entweder den Motor 'hochfahren' und deutlich mehr Diesel verbrauchen als geplant, oder weitere Zeitverluste inkauf nehmen, weil wir langsamer sind als wir es sein müßten.

Die nächste Marina die von der Seahorse angelaufen werden könnte (unversandet, ausreichend Tiefe) liegt etwa 40 nm nordöstlich unter der Stiefelsohle Italiens; Roccella Ionica. Dort würden wir in 8 Stunden, also gegen 0400 ankommen. Im Dunkeln, ohne Anmeldung, ohne Hilfe in einem unbekannten Hafen - das wollen wir nicht. Die übernächste Marina liegt rund 60 nm weiter nordöstlich; Crotone. Das ist jetzt unser neues Etappenziel.

Kurs 38° auf das Capo Rizzuto. Außer dem neuen Ziel ändert sich nichts. Die Nachtfahrt war ohnehin geplant. Meine Freiwache ist von 2300 bis 0300. Dann übernehme ich die Wache auf einer zumindest heute eher einfacheren Route. Erschreckend sind zwei unbeleuchtete Ankerlieger (große Frachter), die mir erst in der Dämmerung offenbar werden. Beide liegen 2 bis 3 nm an Backbord querab. Aber allein der Gedanke, eines dieser  Fahrzeuge in einer dunklen und diesigen Nacht plötzlich vor mir auftauchen zu sehen, stellt meine Nackenhaare wie Stacheln auf. 


26.04.'15 - Crotone; eine angenehme Überraschung

Um 0545 ist die Dämmerung in vollem Gang. Die Sonne geht heute um 0604 auf. Am frühen Morgen sehen wir wieder eine dieser Schildkröten, von denen ich bisher kein Photo machen konnte, weil sie zu schnell vorbei treiben. Dieses Tier war auf dem Rückenpanzer von Muscheln bewachsen. Das ist für uns ebenfalls neu.

Der Tag wird warm und ruhig. Der wenige Schiffsverkehr auf unserer Route ist nicht von Querverkehr bestimmt, sondern von Fahrzeugen, die uns folgen oder überholen, oder uns entgegen kommen. Das läßt sich gut beobachten und handhaben.

Gasförderplattform
In der Bucht vor Crotone fallen uns zuerst merkwürdige 'Fahrzeuge' auf, die wir von der Form zunächst gar nicht erklären können - und die zum Glück sehr statisch in der Bucht stehen. Vor Crotone wird Erdgas von drei großen Plattformen gefördert. Die Plattform auf dem Photo habe ich aus etwa 8 Meilen Entfernung zunächst für eine überdimensionierte Kogge oder Dschunke gehalten ;-)

Um 1530 machen wir die Seahorse in Crotone fest, im Porto Vecchio. Sehr angenehm sind schon beim Anlegemanöver die ausgesprochen freundlichen und hilfsbereiten Marineros, die uns begrüßen und willkommen heißen. Unsere Frage nach der Rezeption wird mit dem Hinweis beantwortet, daß diese 24 Std. am Tag geöffnet hat und wir erst einmal etwas trinken sollten, etwas essen und dann vielleicht in das Büro zur Anmeldung kommen könnten.

Wir bezahlen 25,- € / Nacht für einen Liegeplatz in einer sauberen und gepflegten Marina in einem aufgeräumten Sport- und Fischereihafen. Daß die Dusche 2,- € extra kostet, ist bei dieser Liegegebühr durchaus nicht verwerflich. Das WiFi ist nicht kostenlos; dafür funktioniert es.

Porto Vecchio in Crotone
Nach der Dusche steht die Suche nach Gelati und Pizza auf der Tagesordnung. Wir laufen in die Stadt - und sind vom Fleck weg begeistert. Selbstverständlich sehen wir auch hier sanierungsbedürftige Häuser und Straßenecken, in denen das Kraut durch die Gehwegplatten schießt. Aber der Gesamteindurck ist völlig entgegengesetzt zu Riposto und vor allem Messina. Crotone ist aufgeräumt, voller Menschen in den Straßen. Die feiern gerade den Vortag, den 25. April 1945, als den Tag, an dem für Italien der zweite Weltkrieg zuende war. Jung und alt feiern miteinander, bunt gemischt. Viele kleine Kinder sehen wir, die auf ihre Art sicher ebenso von Zukunftsperspektiven der vielen jungen Menschen Zeugnis geben, wie die vielen neuen Autos (viele deutsche Autos) in den Straßen.

Crotone ist eine alte Kaiserpfalz, als solche genutzt und ausgebaut von Karl V. Die Spuren dieser Epoche sind auf dem Festungsberg lebendig in die aktuelle Stadtgestaltung integriert. Man muß gesehen haben, wie Häuslebauer verschiedener Zeitalter ihre Häuschen hier auf und in Festungswände bauen.

Innenhof der Festung
Der Kommandantenturm
Festungsmauern

Auf unserem Weg hören wir aus einem Fenster Klaviermusik. Jemand spielt einige Etuden, vielleicht wahllos, vielleicht nach einem Plan, leicht, gekonnt, schön ... Wir bleiben ein paar Minuten stehen und hören zu.

Auf einem kleinen Platz spielt ein Kasperletheater mit recht großen Puppen ein Stück in einer Kathedrale. Der Kasper hat seine Probleme mit Obrigkeiten, ersticht den Kardinal und dessen Ritter mit dem Schwert und findet den Beifall der jüngsten Zuschauer. Weil die Gegner nicht sofort umfallen, bekommen sie vom Kasper so oft eins mit dem Stuhl übergezogen, bis die Kinder jauchzen. Die älteren Menschen schauen ruhig zu, interessiert, mancher vielleicht nicht ganz einverstanden.

Wir suchen die kleinen Gassen, die schmalen Wege von denen Crotone viele hat. 

Crotone zum verlieben
Helmut macht den 'Scout' beim Entdecken immer neuer kleiner Gassen
Die vermutlich 'erste' Eisdiele Crotones entdecken wir natürlich auch. Zumindest entnehmen wir das der Menschenschlange, die auf Eis wartet. Tatsächlich schmeckt es ganz hervorragend. Und auch eine kleine aber ganz hervorragende Pizzeria in einem Hinterhof bleibt uns nicht verboren.

Die Preisliste ist wirklich echt!
Was hier für einen Euro verkauft wird, ist das Achtel eines Rades von 80 cm Durchmesser! Davon kann man schon satt werden. Wir nehmen jeder ein Achtel einer Salame und teilen uns später eine 'Normali' mit Gambas und Thunfisch - und zahlen für alles 8,10 €. Halleluja!


27.04.'15 - Ergänzung und Planung

Wir haben uns entschlossen, von Crotone nach Vathi auf Ithaka zu fahren. Ich liebe Kaflavis' Gedicht über die Reise nach Ithaka und freue mich auf dieses Zwischenziel. Den Start der Etappe haben wir mit viel Aufwand bestimmt.

Auf der Standlinie zwischen Crotone und Ithaka (Nord)  haben wir wieder in 30 nm Schritten Zeitreihen für die Gesamtstrecke aufgestellt und mit Windrichtung, -stärke und Wellenhöhe versehen.

Wetterdaten
Damit ist klar vorgegeben, daß wir erst am Mittwoch um 0200 unsere Fahrt fotsetzen. 

Wir tätigen noch ein paar Einkäufe, füllen den Dieseltank und die Kannister auf und prüfen Motor und Getriebe bezüglich der Ölstände. Selbstverständlich kontrollieren wir auch den festen Sitz der Antriebswelle auf dem Getriebe ;-)

Zeitreihen der besonderen Art
Das Plakat über den Zeitbedarf der See beim Abbau verschiedenen Mülls prangt riesengroß auf der Kaimauer. Eigentlich weiß das jeder, daß man nichts über Bord schmeißen darf; außer vielleicht Dreckschleudern, die unsere Meere versauen.

Am späten Nachmittag blasen hier 20 kn, in Böen bis 25 kn über die Kaimauer. Wir sind schon ziemlich sicher, uns richtig entschieden zu haben. Ein paar Photos noch vom Hafen, Wäsche aufhängen und dann gehen wir irgendwo in der Stadt zum Abendessen ...

Porto Vecchio di Crotone





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