Mittwoch, 15. April 2015

15.04.'15 - Carloforte

Eine Überfahrt wie aus einem Werbefilm

Das diese Etappe mehrere Härtegrade weicher sein würde als der Weg nach Fornells, war uns klar. Wie sanft die Fahrt nach Carloforte trotzt ihrer Länge werden sollte, hätten wir uns nicht träumen lassen.
Fornells (Menorca) - Carloforte (St. Pietro): rund 210  Seemeilen
13.04.'15 - Etappenstart

Wir haben uns nach der kräftezehrenden Begegnung mit der Seekrankheit erst einmal ausgeschlafen, an Nahrungsaufnahme vorsichtig mit 'Süppchen' gewöhnt und außer notwendigen Restaurantbesuchen jegliche Tätigkeit vermieden. Am 'Tag danach' sind wir früh aufgestanden, haben uns ein kurzes Frühstück gemacht, das Ablegemanöver durchgesprochen und um 0740 abgelegt.

Wir konnten uns gestern in der Capitaneria nicht anmelden (Sonntag ist arbeitsfrei) und heute nicht abmelden (Dienstbeginn ist 0900). Das spart uns die Liegegebühr. Einen Schlüssel für die Sanitärcontainer hatten wir nicht (deshalb die Notwendigkeit von Restaurantbesuchen) und brauchen darum auch keinen zurück geben.

Meine Wetterapp 'Yachting Weather' sagt für heute und morgen keinen verwertbaren Wind voraus. Ab Mittwoch stürmt es auf dem südlicheren Teil der kommenden Etappe. Wir entschließen uns, nach St. Pietro zu motoren. 

Ausfahrt aus der Bucht Fornells
Die See ist ruhig, später manchmal spiegelglatt, mit Wellem von 0,3 bis 0,5 m, sanft. Ein wolkenloser Himmel strahlt über uns. Am Nachmittag messe ich im Cockpit unter dem Biminitop 21°C im Schatten; 16°C Wassertemperatur. 

Ruhige See östlich Menorca
Der Wind kommt genau von vorn. 2 bis 6 Knoten sind nicht gut verwertbar, auf der Nase gar nicht. Am Abend dreht der Wind kurzzeitig auf N und trifft uns mit 4 kn raum auf Backbord. Wir nehmen das Genuasegel für diese Zeit zur Hilfe. Das spart zumindest ein wenig Diesel. Die Seahorse läuft mit 6 bis 6,5 kn nach SO.

Unterstützung durch das Genuasegel
Ich versuche zu angeln; erfolglos. Am Nachmittag entpuppt sich ein Stück Treibholz als Schildkröte, die gemütlich im Nirgendwo herumtreibt. Wir sehen längst kein Land ringsum, kein anderes Fahrzeug. Die Schildkröte ist eine willkommene aber nur kurzzeitige Abwechslung. 

Beobachtungen zur Nacht:

Nach dem Sonnenuntergang wird die Meeresoberfläche für eine kurze Zeitspanne zu flüssigem Silber. Die Schatten in den silbernen Wellentälern sehen wie Falschfarben aus, wie von Warhol gemalt oder von Meteosat geplottet. 
   In der Nacht leuchtet Venus hinter uns wie ein kleiner Scheinwerfer und wirft eine spiegelnde Bahn aus Licht bis an das Heck unseres Bootes. 
   Es ist spannend zuzusehen, wie erst einzelne Sterne, später ganze Sternbilder im Meer versinken. Selbst der raumgreifende Orion 'säuft ab'. Der große Wagen fährt rund 180° um den Polarstern herum.
    Der Mond geht um 0412 auf und wird von mir zunächst für ein sehr schnell näher kommendes Schiff gehalten. 
   Gegen 0500 darf ich den zweiten Boliden meines Lebens beobachten, einen Meteor mit einem leuchten Kopf (grün), sprühend und einer nachleuchtenden Spur, die von Süd nach Nord beinahe den ganzen sichtbaren Himmel durchmißt. Ein herrliches Bild.
   Im Dunst vor uns kann ich Meer und Himmel visuell nicht von einander trennen. Ich sehe den Horizont nicht. Wasser und Himmel gehend fließend ineinander über. Das weckt den Anflug einer Beklemmung und läßt mich ahnen, wie diverse Weltbilder auf der Basis von Scheiben und Abgründen am Rand des Meeres entstanden sind.

14.04.'15 - 2. Tag auf See

Die See ist im wahrsten Sinne des Wortes spiegelglatt. Nennenswerte Wellenbewegungen sind nicht zu erkennen. Die Seahorse scheint durch das Wasser zu gleiten. Wir sehen riesige 'Felder', auf denen die Meeresoberfläche mit kleinen Seeblasen bevölkert ist, kleine Medusen, in der Form den gefürchteten 'portugiesischen Galeeren' ähnlich, 1 bis 5 cm groß. Diese Medusen haben nur sehr kurze Tentakeln, können aber Schwimmern durchaus gefährlich werden, weil Berührungen der ungeschützten Haut mit der Unterseite der Medusen große Schmerzen verursachen. Die von uns beobachteten Felder messen jeweils mehrere zig Seemeilen in unserer Fahrspur.

Spiegelglatte See

Jetzt sind Wolken voraus. Auf schlechtes Wetter weisen die nicht hin. Der Dunst voraus hat mich während meiner Nachtwache allerdings unsicher gemacht bezüglich der Prognose der Wetterapp. Das stürmische Wetter könnte früher kommen. Bei Tageslicht zerstreut sich diese Sorge schnell.

Wir sind um 0740 ca. 125 Seemeilen gefahren. Ich schätze, daß wir Carloforte bereits gegen 2100 bis 2200 erreichen, eine halbe Nacht vor der Planzeit von 48 Stunden.

Um 1900 schreibe ich in mein Tagebuch, daß dieser Tag beinahe ereignislos verlief, noch 'glatter' als der vorherige. Aber wir haben eine vertriebene Tonne entdeckt, die wir anfangs nicht als solche erkannt haben. Etwas Großes, leuchtend Gelbes kam uns an Backbord schnell entgegen, blieb aber trotz unserer Gläser zu weit querab, um Genaueres erkennen zu können. Wir wollten sicher sein, daß wir keine Rettungsinsel unbeachtet lassen und haben unseren Kurs kurzzeitig geändert, auf die Tonne zu.

Eine vertriebene Tonne
Als wir sicher waren, worum es sich handelt, haben wir wieder den ursprünglichen Kurs aufgenommen und die Position der Tonne notiert. Bis zur Küste Sardiniens sind das noch gute 40 nm. 

Die Küstenlinie Sardienens sehen wir zum ersten Mal um 1850. Bis zur Einfahrt in die Straße von St. Pietro sind es jetzt noch etwa 3 Stunden.

Wir erleben beim Anlauf auf den Hafen einen schönen, aber sehr schnellen Sonnenuntergang.

Schön und viel zu schnell weg ...
Die Einfahrt in den Hafen von Carloforte ist ein wenig trickreich. Mittlerweile ist es dunkel. Helmut ist froh, auf seinem iPad recht exakte Seekarten zu haben, die uns jetzt an verschiedenen Untiefen vorbei lotsen. Der Hafen selbst ist großzügig ausgeleuchtet; zu großzügig. Vor lauter Lichtern sehen wir unmittelbar vor der Einfahrt die auslaufende Fähre erst, als sie bereits zwischen den Molenköpfen auftaucht. Wir drehen eine Extrarunde vor der Hafeneinfahrt, um der Fähre ausreichend Raum und Zeit für ihre Manöver zu lassen. Aber schon unmittelbar nachdem wir in den Hafen eingefahren sind, 'schiebt' uns bereits eine zweite, mehrfach größere Fähre, die auf ihren Anleger zustrebt. 

Die Marinas haben keine Klampen auf den Stegen, gegebenenfalls Eisenringe unter den Stegen, an denen man ein Boot festmachen kann. Zusätzlich stehen Mooringleinen zur Verfügung, um das Schiff vom Steg weg zu halten. Die Ringe muß man erst einmal als Festmacher erkennen; in der Dunkelheit in einem fremden Hafen. Aber wir bekommen auch dieses Anlegemanöver hin und setzen die Seahorse mit dem Heck an den Steg. Um 2300 ist das Boot vertäut. Wir haben 210 Seemeilen in rund 39 Stunden zurück gelegt.

15.04.'15 - Carloforte

Das Städtchen besitzt viel Charme! An einen Berghang geschmiegt, zieht es sich teilweise über lange Treppen den Hang hinauf, bis zu den Resten der alten Stadtmauer. Im Fährhafen herrscht reger Betrieb. Schulkinder (alles oberhalb der Grundschule) scheinen nach Sardinien hinüber zu müssen. Trotz der morgendlichen Geschäftigkeit bleibt es ruhig und entspannt auf der Uferpromenade. Die angenehme Atmosphäre mit freundlichen und hilfsbereiten Menschen spricht uns sehr an. 

Carloforte
Wasserautomat



Spannend und ansprechend zugleich fanden Helmut und ich den Wasserautomaten, der uns in der mittäglichen Wärme gelegen kam. Für 5 Cent gibt es einen Liter Wasser, wahlweise warm oder kalt. Füttern läßt sich der Automat sogar mit 1 Cent Münzen und bietet jedem Erfrischung, der diese braucht - ohne daß Wasser in Brunnen der Verdunstung preisgegeben wird. 



Auch die Marina Sifredi gefällt uns gut. 22,- € pro Nacht für die Seahorse, kostenloses WiFi, Strom- und Wasserversorgung am Steg, Duschen und Toilletten nahe unserem Steg - viel mehr kann man nicht wollen. Sogar Waschmaschinen und -trockner stehen zur Verfügung. Lediglich die Anzahl der Duschen/Toilletten (4) könnte in der Hauptsaison etwas wenig sein.

Marine Sifredi - Sardinien liegt im Hintergrund

Sardegna schält sich aus dem Dunst
In der Anmeldung Sifredi lernen wir Brigitte kennen. Brigitte ist Französin und lebt mit ihrem Mann Armand auf einem Boot, technisch baugleich mit der Seahorse. Die Salamandre ist im Innenausbau auf das Leben zweier Personen auf einem Boot ausgerichtet. Weil Brigitte auf die Wäsche in den Waschautomaten der Marina warten muß, laden wir sie auf einen Kaffee zu uns auf die Seahorse ein und verabreden, daß sie später mit Armand zu uns kommt. 

Beide sind Rentner (Krankenschwester, Motorradpolizist) und verbringen die Winter in Monastir (Tunesien) im Hafen und 6 Monate im Jahr 'auf See'. Es gibt keine festen Ziele, keine Törns mit zeitlichen Vorgaben. Segeln, alles kann, nichts muß ... Armand hat technische Erfahrungen und Details parat, die uns sehr interessieren. Mir erklärt er einiges über den Fang von Thunfischen. Zum Abend sind wir auf die Salamandre eingeladen, zu Thun, Pastis, Rosé aus der Provence und guten Gesprächen.


Brigitte schreibt selbst einen Blog [lasalamandre83.blogspot.fr]. Unser Besuch wird dort demnächst in Schrift und Bild veröffentlicht sein.

Alors Comrades, bon Route!

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