17.04.'15
– Das glaubt einem sowieso wieder keiner
Vorweg: Versprochene Photos vom Skipper will ich nicht vorenthalten ...
Vorher / Nachher - Die Familie wird's freuen; hoffentlich ;-)
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77 Seemeilen an der Südküste Sardiniens |
Endlich wieder segeln, sollte dieses
Kapitel heißen, aber das war es nur zum Teil. Wir hatten einen
aufregenden Tag, einen von der Art, die einem ohnehin nicht geglaubt
wird. Also kann ich das auch niederschreiben...
Wir sind um 0400 aufgestanden, haben
ein kurzes Frühstück gemacht und dann zugesehen, daß wir endlich
aus dem Hafen kommen. Um 0445 haben wir den Motor gestartet, die
Leinen los geworfen und dieses Mal 'fährenfrei' den Hafen verlassen.
Neumondnacht, tiefschwarz, dunstig;
Helmut fährt die Straße von St. Pietro wieder nach der
elektronischen Karte auf dem iPad. Nach irgendwelchen Seezeichen
navigieren zu wollen, würde hier und jetzt zu einem Fiasko führen.
Der Sonnenaufgang ist dem Dunst
entsprechend farblich 'mager'. Allerdings ist schon jetzt klar, daß
der Tag sonnig und warm werden wird.
Wind gibt es keinen. Wir müssen
motoren, tun das gerne, weil wir wissen, daß spätestens ab Mittag
reichlich Wind vorhanden sein wird. Kurz nach dem Sonnenaufgang
besuchen uns zwei Delphine, die rund 15 Minuten bei uns bleiben,
manchmal direkt neben und unter dem Bug schwimmen, manchmal die
Seahorse in weiten Bögen umkreisen. Die Tiere scheinen Spaß daran
zu haben, wenn wir rufen und klatschen sobald sie springen.
Wir motoren durch den Vormittag, bis
wir mittig vor der Bucht Palomas stehen, das Kap Teulada längst in
Sichtweite. Ein Schnellboot nähert sich mit großer Geschwindigkeit
von 'schräg hinten' und bringt uns auf. Ein Soldat brüllt uns erst
einige Sätze auf italienisch zu, bis Helmut ihm lakonisch antwortet:
„say it in english“. Wo wir denn hin wollen, werden wir gefragt,
und ob uns nicht klar wäre, daß wir quer durch ein militärisches
Übungsgebiet führen und in größter Gefahr seien. Wir sollten
unsere Maschine starten (Häh? Wie sind wir wohl ohne Segel bis
hierher gekommen?) und mit Höchstgeschwindigkeit bis hinter das Kap
Teulada fahren.
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Patrouille I |
Wir geben also Gas, fahren zum Kap
(lag ja auf unserer Route), immer in naher Begleitung durch das
Patrouillenboot (wohl doch keine sooo große Gefahr), bekommen dort
noch die Anweisung: Ab hier Kurs 70°, 4 Meilen weit, dann seid ihr
außer Gefahr. Und weg ist die Kriegsmarine, kämpfen spielen.
Am Ende der 4 Meilen Strecke fängt
uns ein weiteres Patrouillenboot ab. Ab hier dürfen wir unseren
originalen Kurs nach Villasimius wieder aufnehmen. Herzlichen Dank.
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Patrouille II |
Kurz darauf haben wir magere 6 kn Wind
achtern, leicht steuerbord. Wir ziehen den Blister auf und lassen uns
schleppen.
ENDLICH WIEDER SEGELN!
Ich denke an die Delphine vom
Vormittag und wünsche mir eine Wiederholung. Aber nicht einmal ein
Thunfisch geht zur Abwechslung an meine mit französischer
Unterstützung selbstgebaute 'Thunfischfalle'. Erst viel später
merke ich, daß der erste 'Militärmariner' mir mit seinem Boot den
Köder von der Leine gerissen hat. Also wird auch in Italiens Armee
Sicherheit in Flaschen produziert!
2 Stunden später nimmt der Wind
stetig zu. Bei 14 Knoten ziehen wir den Blister ein und setzen Genua-
und Großsegel. Der Wind nimmt weiter zu, bis 21 kn.
Wenn das so gut läuft, können wir
Villasimius fallen lassen, und gleich Kurs auf Sizilien nehmen. Das
sind jetzt noch 32 Stunden. Gesagt, getan; Kurs Sizilien liegt an.
Herrlich. Ciao Sardegna!
Irgendwann hören wir ein leises,
gleichmäßiges Klappern, so als liefe die Antriebswelle der Schraube
mit. Trotz Rückwärtsgang? Ich schaue im Motorraum nach dem rechten
und entdecke eine Antriebswelle, die sich selbstständig gemacht hat.
Sie ist von der Abtriebswelle des Getriebes herunter gerutscht.
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Fehlt da ein Stück ? Oder wollte die Welle zum fischen raus? |
In diesem Augenblick hören wir auf
Kanal 16 die erste 'gale warning', die sich ab jetzt halbstündlich
wiederholt. Vorsichtshalber demontieren wir den Blister komplett und
verstauen ihn wieder in der Backskiste. Uns bleibt wenig mehr, als
Villasimius wieder anzusteuern und dort zu sehen ob wir eine Chance
haben, den Schaden noch am Samstag repariert zu bekommen.
Es scheppert eine Weile noch ordentlich im Rigg, aber
Sturm bekommen wir keinen ab. Villasimiusi erreichen wir gegen 1900,
nach insgesamt 77 nm. Wir haben uns telephonisch und per Funk
angemeldet, müssen den Marinero aber vor Ort noch aus dem Hafen
heraus rufen. Schließlich muß er uns an einen Liegepletz bugsieren.
Den Hafen zu erreichen war unter Segeln nur schwer möglich. Der
mittlerweile wieder auf 8 kn abgefallene Wind stand so ungünstig,
daß das Genuasegel immer wieder zusammenfallen wollte. Trotzdem
haben wir das Boot mit viel Fingerspitzengefühl und einigen Tricks
bis in die Hafeneinfahrt gesegelt.
Später gelingt es uns mit Svens
telephonischer Hilfe, der das Getriebe ja erst vor wenigen Wochen total zerlegt
hatte, den Fehler einschließlich seiner Ursache zu finden. Eine
Kontermutter auf dem Abtriebszapfen des Getriebes hat sich gelöst
und die Welle freigegeben. Morgen besorgen wir uns in der hier
ansässigen Werft eine neue Mutter, oder kleben die alte auf den
Zapfen. Dann kann unsere Fahrt sicher weiter gehen.
Der Rest des Abends gehört aus meiner
Sicht einer Flasche Rotwein, Keksen, dem Rauschen der Brandung.
Wie gesagt: Das alles an einem Tag
glaubt uns sowie wieder kein Mensch. Aber das ist mir jetzt auch
egal.
1 Kommentar:
Hallo ihr zwei, das klingt ja schon wieder nach einer Menge Aufregung! Aber wenn nichts passier, hat man ja auch nichts zu erzählen!;) Ich bekomme auf jeden Fall Fernweh beim Lesen und freue mich schon auf die nächsten Berichte! Ganz lieben Gruß aus Deutschland
Anna
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